
Der gesättigte, pralle, absolute Farbton. Die psychedelischen Effekte schwebender Farben.
Auf der Makrodimension der großen Wandkeramikplatte nehmen die von Pepe ausgearbeiteten optischen Verflechtungen die hypnotische und faszinierende Anordnung einer vielgestaltigen Farbenmischung an, die sich an traditionellem Marmorpapier orientiert, das vor allem im Verlagswesen - und insbesondere in der künstlerischen Buchbindung verwendet wird.
Auf diesen extrovertierten und effektvollen Grundlagen sehen einige der von Pepe entworfenen Lösungen die Nebeneinanderstellung zweier unterschiedlicher linearer Grafiken vor, die zentral in die Geometrie der Keramikplatte eingelassen sind und die Figur eines Blasons – eines auf die Vorstellungswelt der Heraldik anspielendes Wappens ähnlich eines zusammengesetzten Schildes – sowie die Form einer „Sanduhr“ bilden, die durch Überlagerung zweier gleichschenkliger Dreiecke entsteht.
Paolo Ferrarini: „Federico Pepe und die Disziplin der Ideen“
„Es war einmal ein römischer Kaiser, der auf einer riesigen Scherbe im All wohnte, einem Sternenschiff aus vielfarbigem Marmor, das von Techno-Musik erfüllt war. An diesem Tag verließ er es, um mit dem Sonnenkönig auf dem Rücken seines Drachens, einem geschmeidigen güldenen Wesen mit blutroten Augen, zu Abend zu speisen.“Gäbe es ein Buch mit diesem Incipit, dann hätte den Einband wohl Federico Pepe gestaltet. Und wenn aus dem Text ein Film geworden wäre, dann nur mit Pepe als Regisseur und Bühnenbildner. Federico ist weder Schriftsteller noch Regisseur noch Bühnenbildner, aber das hindert ihn nicht daran, seiner natürlichen Fähigkeit nachzugehen, Geschichten aus plötzlichen Eingebungen zu verfertigen.Die Laufbahn von Federico Pepe beginnt mit der Werbung, eine Familientradition, die sich nach und nach wandelt und vieles mehr wird, eine dauerhafte und unausweichliche Erkundung der Kreativität in allen ihren nur möglichen Formen. Denn bald wird ihm klar, dass Auftragsarbeit ihm nicht ausreicht, so dass er damit beginnt, anderes auszuprobieren. Dieses „Andere“ wird zunächst Kunst, aber die verfestigten Mechanismen, mit denen Galerien und Galeristen arbeiten, werden schnell zu einer neuen Beschränkung, die er abschütteln muss: Der scheinbar sich weitende Horizont erweist sich in Wirklichkeit als einschnürender Käfig, und keine tiefenschürfenden Prozesse sind gefragt, sondern festlegende Etikette. Und gerade Definitionen beschreiben die Herangehensweise Federico am wenigsten: Wer versuchte, seine Arbeit in zwei Worten zusammenzufassen, würde ihrem Wesen Unrecht tun. Denken wir an die vielen Rollen und Berufe, die Federico bekleidet hat, um seinen Ideen Form zu verleihen, in denen er sich ausgezeichnet, Arbeitsgruppen gegründet und geleitet und Prämien gewonnen hat. Werber, Kreativdirektor, Graphiker, Drucker, Galerist, Herausgeber, Kurator, Performer, Maler, Designer, Regisseur: Pepe ist nicht all dies, Pepe hat all dies gemacht.Seine Arbeiten sind konkret, weil sie nicht vom bloßen Instinkt geleitet sind und er nicht das Capriccio des Flâneurs pflegt, um ohne Ziel umherzuwandeln oder auf die Inspiration oder Idee des Jahrhunderts zu warten Im Gegenteil. Seine Arbeit lebt und produziert Resultate nur dank einer strengen persönlichen Disziplin, einer planerischen Methode des ständigen Austauschs, der genauen Aufteilung von Aufgaben und Rollen, der besessenen Erkundung unbekannter Orte, täglicher Bewegung, einer kalibrierten Nutzung der Social Media und hin und wieder der Isolation in seinen Bergen. Die Geburt von Le Dictateur war daher auch kein Zufallsprodukt. Diese ambivalente Einrichtung ist sein Kind, aber auch sein Spiritus Rector, genauso Freund wie Boss, etwas Raserei und ein wenig Diktator. Le Dictateur ist nicht das Alter Ego von Federico, sondern seine Supermacht. Sie stellt keine Maske dar, sondern seine Art, Projekte zu machen.Le Dictateur ist Ergebnis und Ursache der Arbeit Federico Pepes. „Ich glaube, dass Ideen aus Veranlagung entstehen“ - sagte mir Federico 2014 - „aber nicht in dem Sinn, dass wir „veranlagt geboren“ werden, sondern aufgrund unserer tagtäglichen Vorbereitung. In diesem Rahmen ist die Disziplin meiner Ansicht nach grundlegend. Die wahren Talente sind heute Menschen, die sehr streng mit sich umgehen und hart arbeiten, viel austauschen, viel denken und wissen, wie man viele unterschiedliche Dinge ausbalanciert.“ Diese Haltung hat ihn zum bestgehüteten Geheimnis der kreativen Szene Italiens gemacht, wie Pierpaolo Ferrari, Maurizio Cattelan, Nico Vascellari, Jacopo Benassi, Patricia Urquiola, aber auch große und kleine Unternehmen nur zu gut wissen, die in den Jahren mit ihm zusammengearbeitet haben. Mit all seinen heutigen und damaligen Kontakten hat er Grundlagenarbeit für Projekte geleistet, die sich durch ihre episodische und serielle Natur äußern und nicht nur Schritt für Schritt die Laufbahn von Federico nachzeichnen, sondern ihren neuen Eigentümern auch ermöglichen, ganz spezielle Vorhaben zu realisieren, die ohne ihn nahezu unmöglich wären.Diese seine Disziplin erzeugt Wärme und Energie in solchen Mengen, dass sie - wäre sie nicht eingezwängt in die geometrischen Raster der Planung - wohl eine thermonukleare Reaktion auslösen würde. In den Adern seiner Bilder fließt schwarzes Blut wie Tinte, rot wie Lack, weiß wie Gips, Gold wie Lava. Und nicht nur das - Seine glasklaren Visionen gelingt es, die dünne Membran zwischen dem Analogen und dem Digitalen zu sprengen. Denn für ihn ist nichts so zentral wie die Materie, die er aber in einer ungewöhnlichen zweidimensionalen Art schwingen lässt. Das sieht man an der Art, mit der er bunte Schnörkel in den Marmor einprägt, Erinnerungen an Gesichter, die in Vektorgrafik gestaltet werden. Man entdeckt es an der Meisterschaft, mit der er flache geometrische Geflechte und Kelche aus feinstem Porzellan durchwirken lässt, so glänzend wie auf dem Monitor. Man spürt es in der Liebe, mit der er das Papier für seine Publikationsobjekte aufleben lässt, das von eleganten und faszinierend symmetrischen, oft kaleidoskopischen Grafiken bevölkert wird. Man bewundert es an der Präzision, mit der ein industrieller Metallfußboden zum Stoff auf einem alten Spannrahmen wird und vorher in seiner Auflösung von 300 dpi auf 8 bit heruntergedrosselt wurde. Man genießt es an der hyperbolischen Wiederholung der Gesichter und Hände aus Acryl auf Leinwand in seinem Maleratelier, in dem jedes Werk Copy-Paste-Spuren des vorherigen bewahrt. Es überrascht uns in den Türflügeln kostbarer metallener Anrichten, profanen Glaswänden, die handgemacht, aber hinter dem Glas eines Bildschirms entstanden sind.Der Weg Pepes hat ihn zwangsläufig zu CEDIT geführt, mit der er eine ästhetisch wagemutige Kollektion kreiert hat, die die Balance zwischen Punk-Geste und aristokratischer Strenge hält. Araldica ist ein Projekt, das sich schon im Namen stark und nobel zeigt und auf einer Vergangenheit ruht, die nicht als Belastung, sondern im Gegenteil als Kraft empfunden wird, sie in die Zukunft zu katapultieren. Hier nehmen die digitalen Geometrien von Federico die festmöglichste Materie an, gerinnen zu einem graphischen Objekt, kondensieren Geschichten und Bildern in drei oder zwei Dimensionen. Im Raum von Pepe und CEDIT treffen die Geometrien Euklids auf den Marmor von Phidias, verschmelzen die Einlegearbeiten im Fußboden des Mailänder Doms mit den barocken Bildern des Marmors der römischen Galerien, öffnet sich der private Raum dem Unendlichen mit tausenden möglichen universellen Geschichten.